13
Jeder macht Fehler. Doch wenn ein Sicherheitschef Fehler macht, hat es Konsequenzen. Menschen sterben.
Thufir Hawat, das Original
Der Bashar und sein Schützling marschierten durch die Korridore zum Lebenserhaltungszentrum des Nicht-Schiffes. »Ich bin zutiefst beschämt, Thufir. Es ist schon fast ein Jahr her, und ich bin nicht in der Lage, einen unverfrorenen Saboteur und Mörder ausfindig zu machen.«
Der junge Hawat blickte zu ihm auf, voll offensichtlicher Bewunderung für das militärische Genie. »Wir haben einen begrenzten Kreis von Verdächtigen, und einen eingeschränkten Bereich, in dem er oder sie sich verstecken können. Wir haben alles Menschenmögliche unternommen, Bashar.«
»Trotzdem läuft der Saboteur immer noch hier irgendwo frei herum«, erwiderte Teg, ohne seine Schritte zu verlangsamen. »Deshalb haben wir nicht alles Menschenmögliche getan, weil wir den Verantwortlichen bisher nicht gefunden haben. Die Tatsache, dass es keine weiteren Morde gegeben hat, bedeutet nicht, dass wir in unserer Wachsamkeit nachlassen dürfen. Ich bin davon überzeugt, dass der Saboteur immer noch unter uns weilt.«
Die Ithaka wurde ständig durchsucht und überwacht. Weitere Kameras waren installiert worden, aber der Attentäter schien äußerst begabt im Versteckspielen zu sein. Teg vermutete, dass der Saboteur viel mehr angerichtet hatte als den Mord an den Ghola-Kindern und den Axolotl-Tanks. In den vergangenen Monaten waren viele Schiffssysteme aus unerklärlichen Gründen ausgefallen – zu viele, als dass zufällige Ereignisse und normale Defekte dafür verantwortlich sein konnten. »Unser Widersacher ist weiter aktiv.«
Der Thufir-Ghola hob trotzig das glatte Kinn. Er war kräftig und schlaksig und hatte buschige Augenbrauen. Er hatte sich das Haar lang wachsen lassen. »Dann werden wir beide ihn finden.«
Teg sah Thufir lächelnd an. »Sobald du deine Erinnerungen und Erfahrungen als Kriegermentat und Meister der Assassinen wiedererlangt hast, wirst du ein starker Verbündeter sein.«
»Ich bin schon jetzt stark.« Thufir hatte das bereits während der Flucht vor den Bändigern bewiesen und sein Leben aufs Spiel gesetzt, um dem Rabbi zu helfen, den Gestaltwandlern zu entkommen, die mit dem Feind im Bunde waren. Teg glaubte daran, dass der junge Ghola das Potenzial besaß, noch viel mehr zu leisten.
Er beharrte auf anstrengenden Runden täglicher Sicherheitsinspektionen, die er immer wieder variierte, während er Duncan Idaho auf der Navigationsbrücke zurückließ, wo dieser unermüdlich nach dem schimmernden Netz des Feindes Ausschau hielt.
Die Ithaka durchstreifte weiter den leeren Raum. Anfangs hatte ihr Ziel lediglich darin bestanden, den Jägern des Feindes zu entkommen. Duncan hatte sich unter dem Nicht-Feld des Schiffes verbergen müssen, da der alte Mann und die alte Frau es offenbar speziell auf ihn abgesehen hatten. Nun, nachdem mehr als zwei Jahrzehnte vergangen waren, hatte die Bevölkerung an Bord zugenommen; Kinder wuchsen auf und wurden in lebenswichtigen Fähigkeiten unterrichtet, ohne jemals den Fuß auf die Oberfläche eines Planeten gesetzt zu haben.
Trotz der vielen Welten, die in der Diaspora besiedelt wurden, schienen bewohnbare Sonnensysteme eher spärlich gesät zu sein. Zum ersten Mal fragte sich Teg, ob viele Schiffe, die während der Hungerjahre geflohen waren, nicht einfach im Nichts gestrandet waren, ohne jemals ihr Ziel zu erreichen. Die Ithaka hatte keinen Gildennavigator; wenn sie in die Nähe von Planeten kamen, geschah es nur durch pures Glück. Bisher waren sie erst auf zwei Welten gestoßen, die für eine Besiedlung geeignet gewesen wären: den Planeten der Geehrten Matres, dessen Bevölkerung restlos von einer Seuche des Feindes dahingerafft worden war, und den Planeten der heimtückischen Bändiger.
Doch mit den Recyclingsystemen, den Gewächshäusern und Algentanks sollte die schon etwas betagte Ithaka in der Lage sein, die gegenwärtige Anzahl von Passagieren über Jahrhunderte am Leben zu erhalten, falls es nötig war. Sie – und ihre Nachfolger – konnten unbegrenzt an Bord weiterleben und immer weiter fliehen. Ist das unser Schicksal?, fragte sich Teg. Doch wegen der häufigen Lecks, Verluste und »Unfälle« machten sich die Passagiere immer mehr Sorgen. Früher oder später würden sie ihre Vorräte aufstocken müssen.
Während der Bashar an die Versorgungsprobleme dachte, bog er in einen Seitenkorridor ein, der zu den Fermentierungsbottichen und den daneben liegenden Tanks für die Algenzucht führte. Die Biomasse, die in der feuchten Kuppelkammer erzeugt wurde, lieferte das Rohmaterial für die Herstellung von Lebensmitteln. Ein äußerst verwundbarer Punkt des Schiffes.
Als er eine Luke öffnete, nahm Teg den intensiven, sumpfigen Geruch nach Kompost und Algen wahr. Sie stiegen über eine Metalltreppe auf einen Steg und blickten von oben in die zylindrischen Bottiche, die mit fasrigem grünem Schleim gefüllt waren. Die feuchte, stinkende Algensubstanz verdaute alles, was organisch war, und wuchs zu großen Mengen einer ess-, aber kaum genießbaren Masse heran, aus der sich geschmacklich verfeinerte Nahrung herstellen ließ. An der Decke surrten Ventilatoren und sogen die stinkende Luft nach oben durch Filter in das komplexe System aus Röhren, die das Schiff mit Atemluft versorgten. Nachdem er ein paar Proben genommen und das chemische Gleichgewicht in den Tanks überprüft hatte, stellte Teg fest, dass alles in Ordnung war. Kein Anzeichen für Sabotage seit seiner letzten Inspektion.
Der ernst dreinblickende junge Mann trottete neben ihm her. »Ich bin noch kein Mentat, Herr, aber ich habe sehr viel über das Problem der Sabotage nachgedacht.«
Teg wandte sich seinem Schützling mit hochgezogenen Augenbrauen zu. »Und? Bist du zu einer vorläufigen Einschätzung gelangt?«
»Mir ist eine Idee gekommen.« Thufir gab sich keine Mühe, seinen Zorn zu verbergen. »Ich schlage vor, dass Sie einen längeren Spaziergang mit dem Yueh-Ghola unternehmen. Vielleicht weiß er mehr, als er bisher zugegeben hat.«
»Yueh ist erst dreizehn. Er hat seine Erinnerungen noch nicht wiedererlangt.«
»Vielleicht liegt ihm die Schwäche im Blut. Bashar, wir wissen, dass irgendjemand die Sabotage begangen hat.« Der junge Mann schien zutiefst von sich enttäuscht zu sein, dass er sie nicht hatte verhindern können. »Selbst der ursprüngliche Thufir Hawat war nicht in der Lage, den Verräter im Haus Atreides aufzuspüren, bevor er uns an die Harkonnens verriet. Dieser Verräter war Yueh.«
»Ich werde daran denken.«
Als sie wieder durch die Korridore gingen, kamen die beiden an einem kränklich aussehenden Scytale und seinem Klon vorbei, die gerade ihr Quartier verließen. Weil sie sich von den anderen isolierten und nach merkwürdigen Traditionen lebten, zählten die Tleilaxu zu den Hauptverdächtigen, aber Teg hatte ihnen nichts nachweisen können. Er war sogar davon überzeugt, dass sich der wahre Saboteur unauffällig verhielt und großen Wert darauf legte, in der Masse aufzugehen und kein Aufsehen zu erregen. Anders hätte er sich nicht über einen so langen Zeitraum verstecken können.
Zwei schwangere Frauen kamen ihnen plaudernd durch den Korridor entgegen. Beide waren Teil von Sheeanas konventionellem Zuchtprogramm, mit dem die Population der Schwesternschaft auf adäquater genetischer Basis erhalten werden sollte, falls die Splittergruppe irgendwann einmal eine Kolonie gründete.
Schließlich erreichten Teg und Thufir die gewaltige, summende Maschinenhalle und betraten die Hecksektion durch eine runde Tür. Seit dem letzten Sprung durch den Faltraum war die Ithaka offenbar in Sicherheit und trieb einfach nur dahin, obwohl Duncan darauf bestand, dass das Holtzman-Triebwerk jederzeit bereit war.
Dickes Klarplaz trennte den Bashar und Thufir von drei Kraftwerken, die die Maschinen mit Energie versorgten. Stege umringten die Außenseite einer explosionssicheren Plazkammer, die die nebeneinander montierten Triebwerke enthielt. Die beiden Männer blickten zu den gigantischen Maschinen auf, die den Raum falten konnten. Ein wahres Wunderwerk der Technologie. Alle Anzeigen befanden sich im grünen Bereich. Auch hier kein Anzeichen für Sabotageakte.
»Wir übersehen irgendetwas«, sinnierte Teg. »Das kann ich deutlich spüren.«
Schon einmal, am Ende der Schlacht von Junction, hatte der Bashar die schreckliche und tödliche »Waffe« übersehen, die die Geehrten Matres als letzte Reserve zurückgehalten hatten. Durch diesen Fehler hätte er beinahe den Krieg verloren. Er versuchte, ihre gegenwärtige Situation einzuschätzen. Welche tödliche Waffe werde ich diesmal übersehen?